Potenziell kritische Nährstoffe in der veganen Ernährung
Vitamin B12, Vitamin D, Eisen – beschäftigt man sich mit Ernährung sowie Mineral- und Nährstoffen merkt man schnell: In jeder Art der Ernährung gibt es potenziell kritische Nährstoffe. So auch in der veganen. Welche das sind, erklärt euch Susanne Reiss. Sie ist präventive Ernährungsberaterin und sie ist sich sicher: „Eine gut geplante vegane Ernährung bringt mehr gesundheitliche Vorteile als Nachteile mit sich. Unter Berücksichtigung der potenziell kritischen Nährstoffe, die in einer gut geplanten, abwechslungsreichen veganen Ernährung berücksichtigt werden, sowie einer jährlichen Blutuntersuchung sollte der veganen Ernährung nichts im Wege stehen. Die Vorteile: präventiver Schutz vor Magen-Darm-Erkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen sowie Diabetes Mellitus 2. Die vegane Ernährung kann aber auch unterstützend bei der Gewichtsreduktion sein.“ Auf bestimmte Nährstoffe sollte man also in jeder Ernährungsweise achten. Welche es bei der veganen sind, erzählt sie dir hier.
Susanne, welches sind die potenziell kritischen Nährstoffe in der veganen Ernährung?
VITAMIN B12 muss supplementiert werden, da es in der veganen Ernährung so gut wie gar nicht vorkommt. Hier können Kapseln, Tabletten und auch Tropfen oder Sprays gewählt werden. Wichtig ist nur zu wissen, ob die Aufnahmefähigkeit des Körpers funktioniert. Eine regelmäßige Testung sollte vorgenommen werden, auch wenn eine hohe Speicherkapazität von B12 vorliegt. Dies bedeutet auch nicht, dass auf eine Supplementierung verzichtet werden kann, diese sollte regelmäßig und von Anfang an stattfinden.
VITAMIN D, welches eigentlich ein Prohormon ist, da der Körper es in der Haut selbst herstellen kann, sollte supplementiert werden. Laut DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) gilt Vitamin D als potenziell kritischer Nährstoff in jeder Ernährungsform und sollte aufgrund der geografischen Lage und der dadurch fehlend ausreichenden Versorgung vor allem in den Wintermonaten, von Oktober bis März in Deutschland supplementiert werden. Mögliche pflanzliche Quellen sind Avocados, Pilze oder angereicherte Lebensmittel wie Pflanzendrinks. Diese liefern aber keine ausreihende Zufuhr an Vitamin D, gerade wenn die Eigensynthese durch fehlende Sonneneinstrahlung eingeschränkt ist. Hier gilt auf die Dosierung die vom Arzt empfohlen wurde zu achten und nicht zu überschreiten.
EISEN – Laut WHO ist der Eisenmangel global gesehen der weitverbreitetste Nährstoffmangel. Betroffen sind vor allem Kinder, Jugendliche und Frauen im gebährfähigen Alter, sowie Schwangere. Das Nicht-Häm-Eisen, welches in pflanzlichen Nahrungsmitteln enthalten ist, hat eine schlechtere Bioverfügbarkeit, das heißt unser Körper kann es nur zu einem geringeren Teil aufnehmen. Um dem entgegenzuwirken, können eisenhaltige Nahrungsmittel einfach mit Vitamin C gemeinsam aufgenommen werden. Aufnahmesenkende Nahrungsmittel wie Kaffee, schwarzer oder grüner Tee sollten nicht gleichzeitig mit Eisen aufgenommen werden. In der Praxis könnte das so aussehen: Hummus mit Paprika; Haferflocken mit Orange; Vollkornbrot, Salat und Zitronendressing. Auch hier gilt wieder: Bitte Nahrungsergänzungsmittel nicht ohne vorherige Absprache mit dem Arzt einnehmen.
OMEGA-3-FETTSÄUREN: Omega-3-Fettsäuren kann der Körper nicht selbst herstellen, daher ist eine Zufuhr notwendig. Diese findet man in Chiasamen, Hanfsamen, Leinsamen, Walnüssen und daraus hergestellten Öle. Mikroalgenöle sind ebenfalls eine gute Quelle, besonders bei Schwangeren und erhöhtem Bedarf. Aufnahmehemmende Faktoren sind hier Transfette, Rauchen, Alkohol und die Post-Menopause bei Frauen.
JOD – Deutschland ist ein Jod-Mangelgebiet. Durch jodiertes Speisesalz und/oder durch Algen kann Jod zugeführt werden. Bitte auf einen moderaten Jodgehalt bei Algen achten, da nicht zu viel Jod auf einmal zugeführt werden sollte.
SELEN ist, wie auch Jod, nicht bedarfsdeckend in unseren Böden enthalten und daher auch nicht ausreichend in unseren Nahrungsmitteln vorhanden. Das heißt, dass durch eine regionale Kost keine Bedarfsdeckung erreicht werden kann. Eine gute Alternative bieten Paranüsse aus tropischen Ländern, die bspw. selenreiche Böden haben, oder nach Absprache mit dem Hausarzt ein ergänzendes Präparat.
VITAMIN B2 – Verschiedene Studien gehen von unzureichender bis übermäßiger Sättigung von B2 in der veganen Ernährung aus. Daher ist der genaue Sachverhalt noch nicht ausreichend geklärt. Hier ist hinzuzufügen, dass B2 lichtempfindlich ist, also dunkel gelagert werden sollte und es ist wasserlöslich, was bedeutet, dass B2 ins Kochwasser übergeht, dieses daher weiter nutzen oder durch Dämpfen generelles Ausschwemmen meiden. Quellen für B2 sind Vollkorngetreide und Mandeln, Ölsamen und Nüsse im Allgemeinen, Hefeflocken, Pilze und Tempeh, sowie grünes Gemüse wie Brokkoli und verschiedene dunkelgrüne Blattgemüse.
ZINK gilt als potenziell kritischer Nährstoff. Die Bioverfügbarkeit in pflanzlichen Lebensmitteln ist herabgesetzt, weshalb es für eine bessere, effizientere Aufnahme mit Vitamin C kombiniert werden sollte. Quellen für Zink sind Saaten, Hülsenfrüchte und Vollkorn. Durch Quellen, Keimen und Garen können die aufnahmehemmenden Faktoren verringert und – wie schon erwähnt – die Aufnahme im Körper durch Vitamin C gefördert werden. Auch hier wieder die gleichzeitige Aufnahme von grünem Tee, Kaffee und schwarzem, Tee meiden da diese die Aufnahme negativ beeinflussen. Da die Speicherkapazität im Körper für Zink sehr gering ist, ist es wichtig, dieses regelmäßig zuzuführen. Praktisches Beispiel: Vollkornbrot mit Hummus und Paprika.
KALZIUM gilt allgemein als einer der Nährstoffe, die auch in der Mischkost nicht ausreichend zugeführt werden. In der veganen Ernährung zählen dunkelgrünes Blattgemüse, Brokkoli, Sojabohnen, Kichererbsen, Trockenfrüchte (ungeschwefelt), Chiasamen und Sesam, sowie angereicherte Pflanzendrinks und Mineralwasser über 150 Milligram pro Liter als empfehlenswert. Kombiniert man die Zufuhr von Vitamin D mit Kalzium und Vitamin C, ist eine gute Aufnahme gegeben.
Übrigens: Auch, wenn die Fachgesellschaften für Ernährung tägliche Mengenempfehlungen ausgeben, ist es nicht erforderlich, diese täglich zu erreichen. Vielmehr sollten die Mengen im Wochendurchschnitt erreicht werden. Es muss also nicht jeden Tag hinter jedem Vitamin und Mineralstoff bzw. sekundärem Nährstoff hinterhergejagt werden. Wachstum, Krankheit, Alter, Medikamenteneinnahme können bspw. den Nährstoffbedarf verändern.
Was sollte man bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln beachten?
Der wichtigste Punkt: Nimm keine Multivitamin-Präparate. Denn dadurch können auf der einen Seite weiterhin Mängel bestehen, auf der anderen Seite aber kann dies zu einer Überversorgung führen. Eine Überversorgung an bestimmten Vitaminen oder Mineralstoffen kann in manchen Fällen zu bleibenden Schäden führen, etwa an Nieren und der Leber. Der Aberglaube „Viel hilft viel“ ist gerade bei der Nahrungsergänzung durch Präparate falsch. Denn bei einer Nährstoffdeckung geht es nicht nur um Vitamine und Mineralstoffe, sondern vielmehr um das große Ganze.
Viele empfinden das Einnehmen von Nahrungsergänzungsmitteln als unnatürlich. Was meinst du dazu?
Wie schon bei den potenziell kritischen Nährstoffen erwähnt, haben wir in Deutschland jodarme Böden. Um dem Jodmangel entgegenzuwirken, sind Brote oder Fertiggerichte meist schon mit jodiertem Speisesalz angereichert.
Aufgrund der Wichtigkeit von Jod für multiple Körperfunktionen, wird von der deutschen Gesellschaft für Ernährung jodiertes Speisesalz empfohlen.
Auf der anderen Seite hat sich eine Vielzahl an Menschen dazu entschieden, dass es wesentlich bequemer ist, Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen, als am Abend nach der Arbeit noch zu kochen, bzw. eine Möglichkeit zu finden, Gemüse und Vollkornprodukte schmackhaft zuzubereiten. Auch sekundäre Pflanzenstoffe werden zahlreich über Pulver oder in Tablettenform verkauft. Ich denke allerdings, dass eine vegane Ernährung ein guter Anfang sein kann, seine alten Gewohnheiten abzuwerfen und in der Küche zu experimentieren. Du selbst hast zahlreiche Beispiele für jeden Geschmack, die uns zeigen, wie großartig die vegane Küche ist und vor allem, wie vielfältig und gesund sie sein kann.
„Es muss aber nicht jeden Tag hinter jedem Vitamin und Mineralstoff bzw. sekundärem Nährstoff hinterhergejagt werden.“
Gibt es einen perfekten Zeitpunkt, seine Supplemente einzunehmen? Morgens, mittags, abends? Oder ist das egal?
Um die Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln zu verbessern, empfiehlt es sich, diese zu einer Mahlzeit einzunehmen. Allerdings gehen hier die Meinungen auseinander.
Viele denken, dass man mit einer pflanzlichen Ernährung seinen Eiweißbedarf nicht decken und kaum Muskeln aufbauen kann ...
Die DGE empfiehlt eine Zufuhrmenge von 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Bei körperlich aktiven Menschen steigt die Proteinmenge auf 1,2 bis 1,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Durch eine bewusste und gut geplante Ernährung können sich auch professionelle Sportler rein pflanzlich ernähren und problemlos Muskelmasse aufbauen. Die DGE empfiehlt übrigens auch Mischköstlern, den Proteinbedarf durch 75 Prozent pflanzliches Eiweiß zu decken. Denn Hülsenfrüchte, Nüsse und Saaten sind wahre Proteinbomben. Hafer, Quinoa, Linsen, Kichererbsen, Tofu und Tempeh sind ebenfalls großartige Proteinquellen.
„Die DGE empfiehlt übrigens auch Mischköstlern, den Proteinbedarf
durch 75 Prozent pflanzliches Eiweiß zu decken.“
Was sollte deiner Meinung nach jeder Veganer/jede Veganerin auf Vorrat haben?
Jeder isst natürlich anders. Aber ganz allgemein gesprochen sind es folgende Lebensmittel, die mir spontan einfallen.
In der VORRATSKAMMER
Rote Linsen
Verschiedene Linsen und Bohnen in Dosen, falls es schnell gehen muss.
Nüsse und Saaten
Vollkornreis und anderes Vollkorngetreide-Produkte
Haferflocken
Sojaschnetzel
Dosentomaten
Tomatenpassata
Trockenfrüchte
Essig
Raps- und Olivenöl
Kokosmilch
Jede Menge verschiedener Kräuter und Gewürze, getrocknet – Bitte keine Mischungen, da diesen oft Zucker und nicht jodiertes Salz zugefügt wird
Im KÜHLSCHRANK
Obst und Gemüse der Saison – Achtung nicht jedes Obst und Gemüse soll in den Kühlschrank
Hummus
Salatdressing – am besten selbst gemacht
Vegane Soßen und Senf
Misopaste
Tofu verschiedener Art
Currypasten
Hafersahne
Pflanzenmilch
In der GEFRIERTRUHE
Gefrorene Früchte wie Beeren, etc.
Gefrorenes Gemüse, naturbelassen
Wenn es schnell gehen muss: ein paar eingefrorene, vorgekochte Gerichte, wie veganes Chili und ein paar Portionen Brot und Beilagen
Vegane Eiscreme für den spontanen Fernsehabend 😉
„Das Wichtigste ist die Vielfalt an unterschiedlichen Lebensmitteln.“
Wie würde ein Tag aussehen, an dem ich alle wichtigen Nährstoffe zu mir nehme? Was müsste ich frühstücken, zum Mittag und zum Abend essen - und vielleicht auch zwischendurch? Gibt es das überhaupt?
Das Wichtigste ist die Vielfalt. Je mehr verschiedene Arten an Obst und Gemüse, Proteinquellen und Kohlenhydraten du zu dir nimmst, desto weiter ist dein Spektrum, welches du an Nährstoffen abgedeckt hast. Selbstverständlich spielen hier noch eine Vielzahl an anderen Faktoren mit – die Lagerung, die Garmethode und vieles mehr. Je mehr Farben, verschiedene Texturen und Vielfalt jedoch auf deinem Teller landet, desto mehr verschiedene Nährstoffe beinhaltet die jeweilige Mahlzeit und der gesamte Tag. Deshalb: trau dich zu experimentieren, probier Neues aus und bleib vielfältig.
Wie oben schon erwähnt, hat dein Körper einen gewissen Bedarf an Nährstoffen, die er braucht, um zu funktionieren. Dieser Bedarf muss aber nicht unweigerlich jeden Tag komplett abgedeckt werden, denn unser Körper ist auch in der Lage, zu speichern. Die Ernährungspyramide gibt dir Auskunft darüber, wie deine Ernährung im Großen und Ganzen aussehen sollte. Ich würde aber generell jedem Veganer/jeder Veganerin empfehlen, zumindest einmal eine Ernährungsberatung bei einem veganen Ernährungsberater des Vertrauens in Anspruch zu nehmen.
Wusstest du, auf welche Nährstoffe du achten musst?
Lass mir gerne einen Kommentar da!
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