Freedolins Weg in die Freiheit
Allein in einem dunklen Raum, verängstigt an eine Wand gepresst und ohne Mutter oder Artgenossen – so fand Christoph den kleinen Freedolin vor. Noch ganze zwei Wochen hätte er so sein Dasein gefristet. Dann wäre er vom Viehhändler abgeholt, in die Kälbermast gebracht und geschlachtet worden. Zum Glück kam es anders. Denn bald kommt Freedolin auf einen Lebenshof und darf dort zusammen mit anderen geretteten Tieren das Leben leben, das er verdient. Danke Christoph, dass du dieses zauberhafte Wesen vor dem Tod bewahrt hast und uns an dieser Geschichte teilhaben lässt.
Bilder: Kristin Mikeska/Christoph Nagev
Christoph, wie bist du auf Freedolin aufmerksam geworden?
Freedolin kommt ja tatsächlich vom „Bauern von nebenan“, vom „Bauern des Vertrauens“, richtig?
Definitiv. Der Hof, auf dem er geboren wurde ist ein richtiger Vorzeigebetrieb mit mehreren riesigen Weiden und einem Bauern, dem seine Tiere wirklich am Herzen liegen. Auf seinem Hof leben neben den „Nutztieren“ auch mehrere „Pensionstiere“, wie er die geretteten Tiere nennt: 1 Ziege, 2 Wildschweine und mit Freedolin insgesamt 4 Rinder. Er hat Milchkühe „im Einsatz“, die andernorts schon längst beim Schlachter gelandet wären, weil ihre Milchleistung stark abgenommen hat. Seine älteste Milchkuh ist bereits 13 Jahre alt. Im Schnitt werden Milchkühe in Deutschland gerade mal 5-6 Jahre alt. Freedolin durfte 1 Woche bei seiner Mama bleiben, bevor er separiert wurde. Generell würde ich sagen, dass man es kaum besser machen kann als auf diesem Hof. Dennoch verbirgt sich hinter den Kulissen die unvermeidbare Grausamkeit, die zwangsläufig mit der Nutztierhaltung einhergeht. Mütter, die nach dem Entreißen ihrer Kinder nicht mehr dieselben sind. Kleine Kälber, die verängstigt und alleine in dunklen Räumen auf ihren Abtransport ins Schlachthaus warten. Und viele andere Details, die vielen einfach nicht ins Bewusstsein kommen, wenn sie die „glücklichen Kühe auf der Weide“ sehen.
Wie konntest du den Bauern davon überzeugen, ihn mitnehmen zu dürfen?
„Dennoch verbirgt sich hinter den Kulissen die unvermeidbare Grausamkeit, die zwangsläufig mit jeder Art der Nutztierhaltung einhergeht.“
Magst du uns Freedolin kurz vorstellen?
Wie sah sein Leben bis zu eurem Kennenlernen aus?
Wie sieht Freedolins Leben jetzt aus? Was macht er so den ganzen Tag?
„Freedolin hätte niemals der neugierige, verspielte und verschmuste kleine Dickkopf werden können, der er heute ist.“
Wenn einzelne Tiere vor dem Schlachter gerettet werden, fiebern ganz oft viele Menschen mit und freuen sich, dass das Tier am Leben bleiben darf. Ganz aktuell zum Beispiel der „kleine“ Ferdinand, der jetzt auf dem Erdlingshof wohnt. Oder auch das Schwein Viktoria, das sich vor einigen Jahren aus einem Tiertransporter befreien konnte und so zum Medienstar wurde. Viele dieser Menschen essen aber Fleisch und konsumieren Milchprodukte. Wie kannst du dir das erklären?
Dass Hunde und Katzen ganz unterschiedliche Persönlichkeiten haben, ist glaub ich fast jedem klar. Den sogenannten Nutztieren spricht man das leider oft ab. Sie werden kaum als Individuen betrachtet. Dabei sind sie nicht anders als Hunde oder Katzen. Wie würdest du Freedolins Persönlichkeit beschreiben?
Bekommst du ausschließlich positive Rückmeldung, was Freedolins Rettung angeht? Oder gibt es tatsächlich auch Menschen, die das nicht nachvollziehen können?
„Der Karnismus kann nur aufrechterhalten werden, weil wir „Nutztieren“ ihre Persönlichkeit und ihre Bedürfnisse absprechen und weil wir den Konsum tierischer Produkte als „normal“, „natürlich“ und/oder „notwendig“ betrachten. “
Was hat es mit der Ohrmarke genau auf sich?
Wenn man sich die Milchindustrie mal wirklich anschaut, ist sie ziemlich grausam. Und das nicht nur in der Massentierhaltung.
„Ich denke, Freedolin würde sich wünschen, bei seiner Mama sein zu dürfen.“
Würde Freedolin unsere Sprache sprechen: Was meinst du, würde er sich wohl von uns wünschen?
Ich würde alles dafür geben, allen gequälten Tieren Erlösung zu schenken in Form von artgerechter Haltung, Streicheleinheiten, Gras unter den Hufen. Ein Gnadenhof ist mein Traum, den ich hoffentlich noch verwirklichen kann. Ich danke Euch für die Rettung dieses wundervollen Kälbchens und nur einen Weg gibt es in dieser Welt: Veganismus. Danke für diese Geschichte
Ja, das seh ich ganz genauso! Danke für deinen lieben Kommentar! Ein Lebenshof ist tatsächlich auch mein großer Traum 🙂
Hallo zusammen,
sehr berührend das alles, und wahrscheinlich hilft es, dass mal wieder ein paar mehr zu Veganer*innen werden, bei mir war es auch solch ein Bericht.
Aber dennoch hab ich zwei Fragen:
1. Rinder sind erwiesenermaßen sehr klimaschädlich, wie lässt sich das gedanklich mit dem Am-Leben-Erhalten eines Kalbes, von denen es eh zuviele gibt (klimapolitisch gesehen) rechtfertigen?
2. inwiefern fließt unser/euer Herzblut auf vergleichbare Weise für Menschen-Kinder in den Ländern des globalen Südens, die kaum eine Überlebenschance haben? Müsste man denen aus ethischer Sicht, bei allem Respekt vor den Tieren, nicht doch noch den Vorrang geben? Also mit dem Geld, das die Unterbringung eines ungewollten Kalbes/Rindes verbraucht, ein oder 2 Kinder retten. Alles sehr makaber, ich weiß, aber so ist diese Welt leider. Würde mich freuen, das intensiver diskutieren zu können.
Hallo Claudia,
danke für die Nachricht.
Es ist richtig, dass Kühe generell klimaschädlich sind. Deswegen wäre es sicherlich auch das Beste, sie einfach nicht mehr zu züchten. Diese Kühe sind ja aber nun mal da, der Mensch hat sie ins Leben geholt – und wir haben somit die Verantwortung für sie. Wenn man die Chance hat, ein Leben retten zu können, warum sollte man es dann nicht tun? Die Alternative wäre das Schlachten dieses kleinen Lebewesens gewesen.
Den zweiten Punkt seh ich tatsächlich auch etwas anders. Ich finde, es ist moralisch in keinster Weise verwerflich, dass sich Menschen auf das Leid der Tiere und dessen Linderung konzentrieren. Ich denke, eine gewisse „Aufgabenverteilung“ bei gemeinnützigen Tätigkeiten ist absolut sinnvoll und auch extrem wichtig. Ich persönlich finde es toll, wenn sich Menschen beispielsweise gegen Homophobie einsetzen. Ich frag in dem Moment aber nicht, warum sie sich denn nicht auch noch gegen Rassismus, Sexismus, etc. aussprechen. Denn das eine schließt das andere ja nicht aus. Genauso wenig tut das Tier- und Menschenliebe. Die Einstellung, dass Menschen sich grundsätzlich nur und an allererster Stelle für Menschen einsetzen dürfen, finde ich persönlich schwierig. Warum sollten wir uns nicht auch für Tiere einsetzen dürfen? Und warum ist unsere Welt so „makaber“, wie Sie geschrieben haben? Die Welt per se ist nicht grausam und makaber. Wir machen sie zu einer solchen. Beispielsweise indem wir der Meinung sind, dass manche Leben wichtiger seien als andere. Aber Mutterliebe hört nicht beim Menschsein auf. Und auch die Leidensfähigkeit nicht. Tiere sind fühlende Wesen, die genauso darauf bedacht sind, Schmerz und Leid zu vermeiden. Warum sollten sie es also nicht wert sein, dass man sich für sie einsetzt?