Selbstfürsorge im Tierschutz
Tierschutzarbeit ist sehr erfüllend – kann aber auch emotional und körperlich fordernd sein. Wer sich für Tiere einsetzt, sieht oft unvorstellbares Leid, arbeitet ehrenamtlich in seiner Freizeit und gibt nicht selten alles, um zu helfen. Das Problem: Viele Engagierte achten zu wenig auf ihre eigenen Bedürfnisse.
Doch nur wer sich um sich selbst kümmert, kann dauerhaft für andere da sein. Oder wie es im Aktivismus heißt: Tierschutz ist ein Marathon, kein Sprint.
In diesem Beitrag erfährst du, warum Selbstfürsorge im Tierschutz so wichtig ist, welche Strategien dir helfen können und wie du sie an deinen Alltag anpassen kannst – ohne schlechtes Gewissen.
Titelbild: Midjourney
Mach mal Pause
Warum viele Tierschützer*innen sich keine Pausen „erlauben“
Viele, die sich für Tiere einsetzen, empfinden es fast als „falsch“, es sich gut gehen zu lassen. Die Gründe sind vielfältig:
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Schuldgefühle: „Wie kann ich entspannen, wenn Tiere leiden?“
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Perfektionismus: „Ich muss alles geben – alles andere ist zu wenig.“
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Gruppendruck: In manchen Aktivist*innen-Kreisen gilt ständige Erreichbarkeit als selbstverständlich.
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Innere Antreiber: Das Gefühl, nur dann wertvoll zu sein, wenn man „etwas tut“.
Das Problem: Dieser Dauerstress kann schnell zu Erschöpfung, Frustration oder sogar zum Ausstieg aus dem Engagement führen. Daher ist es mir auch so wichtig zu betonen: Selbstfürsorge ist kein Luxus – sie ist eine Voraussetzung für nachhaltigen Tierschutz.
Nein sagen
Grenzen setzen und Informationsflut regulieren
Im Tierschutz gibt es immer mehr zu tun, als man selbst schaffen kann. Darum ist es entscheidend, Prioritäten zu setzen und auch einmal Nein zu sagen – zu Projekten, die dich überlasten oder zu zusätzlichen Aufgaben, die dich erschöpfen würden.
Auch beim Informationskonsum lohnt sich eine bewusste Auswahl:
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Filme und Videos, die Tierleid zeigen, können aufrütteln – aber wenn sie dich über Tage belasten, ist es völlig legitim, sie zu meiden. Eigentlich musst du, wenn du schon vegan lebst oder dir Tierschtzprobleme bewusst sind, gar keine Schock-Videos mehr anschauen. Du weißt ja alles schon und musst dich eigentlich nicht mehr damit konfrontieren.
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Social Media bewusst dosieren, Trigger-Inhalte filtern oder Pausen einlegen.
Erschöpfung vorbeugen
Selbstfürsorge praktisch umsetzen
Vielleicht merkst du schon, dass dich dein Engagement im Tierschutz manchmal an deine Grenzen bringt? Oder du möchtest gar nicht erst an den Punkt gelangen, an dem dir alles zu viel wird.
Dann lass dich von den folgenden Möglichkeiten inspirieren, wie du dir selbst etwas Gutes tun kannst – und gleichzeitig deine Kraft und Motivation für den Tierschutz langfristig erhältst.
Körperliche Selbstfürsorge: Schlaf, Bewegung, Ernährung
Ausreichend Schlaf
Schlaf ist nicht verhandelbar. 7 bis 9 Stunden pro Nacht sind optimal, um dein Nervensystem zu regenerieren und Belastungen besser zu verarbeiten. Achte dabei darauf, dass dein Schlafzimmer kühl und so dunkel wie möglich ist.
Bewegung und Sport
Regelmäßige Bewegung – ob Spazierengehen, Radfahren, Yoga oder Krafttraining – baut Stresshormone ab, steigert deine Belastbarkeit und verbessert deine Stimmung.
Ernährung als Energiequelle
Eine ausgewogene Ernährung unterstützt dich dabei, physisch und psychisch stabil zu bleiben. Gerade wenn du durch Tierschutzarbeit viel Energie verbrauchst, lohnt es sich, bewusst auf deine Ernährung zu achten.
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Proteine für Kraft und Regeneration
Pflanzliche Proteinquellen wie Linsen, Kichererbsen, Bohnen, Tofu, Tempeh oder Seitan versorgen dich mit Bausteinen für Muskeln und Nerven. Sie stabilisieren außerdem den Blutzuckerspiegel und verhindern starke Energieeinbrüche. -
Komplexe Kohlenhydrate für anhaltende Energie
Vollkornprodukte, Quinoa, Hafer oder Hirse geben dir über Stunden hinweg Power, ohne dich träge zu machen. -
Gesunde Fette für Gehirn und Nerven
Omega-3-Fettsäuren aus Leinsamen, Walnüssen, Hanfsamen oder Algenöl unterstützen deine Konzentration und helfen, Stress besser zu verarbeiten. -
Vitamine & Mineralstoffe
B-Vitamine (zum Beispiel aus Vollkorn und Hülsenfrüchten), Vitamin C (aus frischem Obst und Gemüse) und Magnesium (zum Beispiel aus Kürbiskernen oder Haferflocken) stärken dein Nervensystem. Achte außerdem auf eine gute Versorgung mit Vitamin B12 und Vitamin D. -
Flüssigkeit nicht vergessen
Schon leichter Flüssigkeitsmangel kann die Stimmung verschlechtern und die Konzentration mindern. 1,5 bis 2 Liter Wasser oder ungesüßter Tee am Tag sind ideal.
Entspannungstechniken: Atem, Kälte, Tiefenruhe
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Atemübungen wie der physiological sigh (zweimal kurz durch die Nase einatmen, einmal lang durch den Mund ausatmen) beruhigen dein Nervensystem innerhalb weniger Sekunden.
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Yoga Nidra kann dir zum Beispiel helfen, in 20 bis 30 Minuten eine tiefe Entspannung zu erreichen – ideal nach belastenden Einsätzen. Du kannst aber auch mal Meditation oder Autogenes Training versuchen. Schau einfach, was dir gut tut.
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Kälteanwendungen wie kaltes Duschen oder Kneippen können den Kreislauf anregen, das Immunsystem stärken und mental erfrischen.
Mentale Strategien: Vom Individuum her denken
Es kann lähmend wirken, immer nur das große Ganze zu sehen – Millionen von Tieren, die Hilfe brauchen. Stattdessen hilft der Blick auf das einzelne Individuum:
„Heute habe ich diesem einen Tier geholfen – und für dieses Tier bedeutet es die Welt.“
Dieser Perspektivwechsel schenkt dir Motivation und mindert das Gefühl, niemals genug tun zu können. Das weiß ich aus eigener Erfahrung und es hilft mir immer wieder dabei, positiv zu bleiben.
Mikro-Pausen und Rituale
Selbst kurze Auszeiten wirken:
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Zwei Minuten ans Fenster treten und bewusst atmen.
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Ein Glas Wasser trinken und sich dabei kurz strecken.
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Nach belastenden Einsätzen bewusst „abschließen“ – zum Beispiel durch Umziehen, eine Dusche oder einen kleinen Spaziergang.
Solche Mini-Rituale signalisieren deinem Körper: Jetzt ist wieder Raum für Ruhe.
Soziale Unterstützung und Austausch
Sprich mit Menschen, die dich verstehen – ob in Tierschutzgruppen, veganen Communitys, mit Partner*in oder Freund*innen. Manchmal hilft es, einfach gehört zu werden, ohne direkt Lösungen finden zu müssen.
Scheue dich nicht, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Psychologische Beratung kann dir helfen, Erlebtes zu verarbeiten und Strategien für mehr Resilienz zu entwickeln.
Natur, Kreativität und Humor als Gegengewicht
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Natur: Waldspaziergänge, Gartenarbeit oder am Wasser sitzen erden und schenken Ruhe.
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Kreativer Ausgleich: Schreiben, Musik, Malen – alles, was dir Freude bereitet, hilft beim emotionalen Verarbeiten.
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Humor: Lachen ist kein Verrat an der Sache – es hält dich seelisch gesund.
Hochsensibilität, Vystopie und emotionale Belastung
Wenn du hochsensibel bist, erlebst du Tierschutzarbeit oft intensiver – sowohl die schönen als auch die belastenden Seiten. In meinem Podcast zu Hochsensibilität und Veganismus spreche ich mit der Psychologin Dr. Tamara Schneider darüber, wie man diese Feinfühligkeit als Stärke nutzen kann, ohne dabei auszubrennen.
Auch das Phänomen der Vystopie – das Gefühl von Verzweiflung und Entfremdung in einer nicht-veganen Welt – kann dich im Tierschutzalltag belasten. Mehr dazu findest du in diesem Interview.
Fazit
Probieren, anpassen, dranbleiben
Selbstfürsorge im Tierschutz bedeutet nicht, weniger engagiert zu sein – sondern länger engagiert zu bleiben.
Es gibt keine Patentlösung. Was dir guttut, kann für jemand anderen nicht passen – und umgekehrt.
Erlaube dir deshalb, Dinge auszuprobieren, Routinen zu verändern und auf deine Bedürfnisse zu hören.
Denn am Ende gilt: Nur wer auch auf sich selbst achtet, kann dauerhaft für andere da sein.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel bietet Inspiration und praktische Anregungen zur Selbstfürsorge im Tierschutz. Er ersetzt jedoch keine professionelle Beratung. Wenn du merkst, dass du anhaltend erschöpft bist, unter Ängsten oder anderen psychischen Belastungen leidest, suche bitte Unterstützung bei einer/m Arzt/Ärztin oder Therapeut*in.
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