Die Krachmachermühle

Die Krachmachermühle

März 17, 2022 | Inspiring Earthlings

Der leerstehende Maststall ist dunkel, der typische beißende Stallgeruch verflogen. Zwölf Schweine standen früher hier zusammen in einer Bucht, rund 1.700 Tiere insgesamt. 2011 übernahm Johannes zusammen mit seiner Frau Maike den Hof seines Vaters – und damit nicht nur die Tiere, sondern auch einen riesigen Berg Schulden. Die Arbeit? Hart, kräftezehrend, nervenaufreibend, ein Kampf gegen hohe Betriebskosten und schlechte Verkaufspreise. An Urlaube war nicht zu denken. In der Zwischenzeit ist hier viel passiert. Jetzt grunzt und quiekt es auf ihrem Hof zwar noch immer. Allerdings wohnen hier mittlerweile wesentlich weniger Schweine – fünf Stück, um genau zu sein. Und anders als die früheren Tiere, werden sie hier bedingungslos ihr ganzes Leben verbringen dürfen. Maike kennt jedes einzelne ihrer Tiere ganz genau: „Fred zum Beispiel ist total sanftmütig und ruhig, er ist eher der Beobachter. Fridolin ist unser Spaßvogel und Frida ist die Chefin der ganzen Gang.“ Während Maike schon immer so ihre Probleme mit der Schweinehaltung hatte, war es für Johannes ganz normal, Tiere zu nutzen und sie letztendlich auch zu schlachten. „Das war meine Lebensgrundlage. Ich bin hier auf dem Hof aufgewachsen. Ich habe das quasi in die Wiege gelegt bekommen.“ Ein emotionales Verhältnis zu den Tieren? Das ist in der Tierhaltung fehl am Platz. Kommen Gefühle auf, müssen diese schnellstmöglich verdrängt werden. „Die Tiere sind dein Kapital. Bist du ihnen gegenüber emotional, kannst du den Job nicht machen“, sagt Johannes. Und so hat auch bei ihm über die Jahre ein Umdenkprozess eingesetzt. Seine Tochter Ida hat zum Beispiel einen Teil dazu beigetragen: „Wir hatten hier nicht nur Schweine, sondern auch Hühner. Ida hat sich viel mit ihnen beschäftigt. Zu einem Huhn – sie hieß Prinzessin – hatte sie eine ganz besondere Beziehung. Wenn Hühner keine Eier mehr legen, war es für mich ganz normal, dass ich sie dann geschlachtet habe. Ich war es gewohnt, Kosten-Nutzen-Rechnungen aufzustellen. Und so bin ich auch bei Prinzessin vorgegangen. Dass meine Tochter dadurch eine Freundin verlor, wurde mir aber erst später klar“, erzählt Johannes. 

Krachmachermühle, Bad Windsheim, Lebenshof
Krachmachermühle, Bad Windsheim, Lebenshof

Dass sie sich letztendlich dazu entschieden, mit der Tierhaltung aufzuhören, hatte aber auch noch andere Gründe: „Wenn ich so hart arbeite, dann möchte ich ein Produkt erzeugen, auf das ich stolz sein kann. Das war bei der Tierhaltung aber nicht der Fall. So richtig bewusst wurde es mir, als ich vor Jahren mal abgepacktes Hackfleisch gekauft habe. So etwas Ekelhaftes hatte ich noch nie in der Hand. Dieses Fleisch und das aufgeweichte Papier haben mich echt angewidert. Ich hab dann geschaut, von welchem Schlachthof das kam. Leider kam es von dem, an den ich fünf Tage zuvor meine Schweine geliefert hatte. Und dann stehst du da und dir wird klar, wie viel Arbeit und Fürsorge du in die Tiere gesteckt hast und dass das, was du da in deiner Hand hältst, eines deiner Schweine sein könnte. Das war der Punkt, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich wollte das alles nicht mehr und so haben wir uns dazu entschlossen, mit der Tierhaltung aufzuhören. Wir haben bei unserem Ferkelzüchter angerufen und ihm gesagt, dass wir keine weiteren Tiere mehr möchten“, erzählt er mir.

Krachmachermühle, Bad Windsheim, Lebenshof
Krachmachermühle, Bad Windsheim, Lebenshof

Und da standen sie dann. Ohne Tiere, ohne Plan und mit einem Haufen Schulden. „Finanziell gesehen war das natürlich eine der dümmsten Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe.“ Ob er es wieder tun würde? Jederzeit. Denn trotz allem geht es ihnen jetzt viel besser. Johannes ist jetzt Steuerfachangesteller und betreibt nach Feierabend noch Ackerbau. Maike ist gelernte Buchhändlerin und macht gerade noch eine Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie. Es gibt also viel zu tun, doch ihr Leben ist insgesamt entspannter, Sorgen über den Schweinepreis oder über Futterpreise gehören der Vergangenheit an. Und mittlerweile sieht Johannes auch die Tierhaltung mit anderen Augen: „Als unsere jetzigen Schweine noch klein waren, haben sie bei uns im Haus gelebt. Ich bin öfter mit ihnen raus. Und alle haben sofort angefangen zu graben. Das ist ein absoluter Urinstinkt bei Schweinen. Da sind mir tatsächlich manchmal die Tränen gekommen, wenn ich daran dachte, dass ich meinen Mastschweinen das jahrelang einfach genommen habe.“

Krachmachermühle, Bad Windsheim, Lebenshof

Seine jetzigen Schweine hätte er vor einiger Zeit noch problemlos selbst schlachten können. Auch da denkt Johannes mittlerweile anders: „Heute würde es mir auf jeden Fall schon schwerer fallen. Und frag mich dazu in einem Jahr noch mal. Dann kann ich es wahrscheinlich überhaupt nicht mehr“, lacht er. Seit 2016 die letzten Schweine vom Hof gefahren sind, hat sich nicht nur in den Köpfen von Maike und Johannes, sondern auch in ihrer Ernährung einiges verändert. „Wir sind (noch) keine perfekten Veganer. Aber Produkte wie das Beyond Meat Hackfleisch, vegane Kochcremes oder Pflanzenmilch machen es einem wirklich leicht, tierische Produkte zu ersetzen. Ab und zu hab ich allerdings mal noch Lust auf einen Braten oder ein Schnitzel und das esse ich dann auch – wenn ich wirklich weiß, wo es herkommt und wenn die Tiere auf der Weide standen und gut gelebt haben. Mir ist aber auch klar, dass, selbst wenn die Tiere ein schönes Leben hatten, am Ende der Tod steht. Das ist der Punkt, bei dem ich argumentativ an meine Grenzen stoße. Wenn ich dann trotzdem ab und zu mal Fleisch esse, ist das reiner Egoismus. Für mich als ehemaligen Schweinebauern ist das aber schon ein riesiger Schritt. Ich hab mir früher immer eingeredet, ich würde bewusst essen. Das war aber nicht der Fall. Das, was ich heute esse, tue ich bewusst“, erklärt er. Genau dieses Bewusstsein ist in der breiten Masse der Verbraucher aber noch nicht angekommen. Dass es Hackfleisch für 2.99 Euro pro Kilo gibt, hat nur einen einzigen Grund: „Die Leute wollen es so. Solange viel billig gekauft wird, solange wird billig produziert. Und es passt nicht zusammen, dass die Forderungen nach mehr Tierwohl immer lauter werden, zu 80 Prozent aber Billigfleisch gekauft wird“, sagt Johannes. Mehr Tierwohl – davon ist Johannes überzeugt – kann es nur geben, wenn der Verbraucher auch entsprechend dafür bezahlt. Es ist also auch hier ein Umdenken nötig. Dafür wollen sich Maike und Johannes mit ihrer Krachmachermühle einsetzen. Ideen für die Zukunft gibt es jede Menge: „Einen der ehemaligen Mastställe bauen wir gerade um zu einem „Hybrid-Aufklärungs-Museum“. Darin möchten wir unter anderem Gebrauchsgegenstände aus der konventionellen Landwirtschaft zeigen, wie zum Beispiel Wundspray oder Markierungsfarbe. So haben die Leute, die uns besuchen, den direkten Vergleich zwischen dem Leben unserer fünf Schweine jetzt und dem unserer Mastschweine früher. Außerdem haben wir unheimlich viel Platz hier. Den möchten wir Menschen geben, die Ideen haben. Von der Fahrradwerkstatt bis zur Bierbrauerei – denkbar ist für uns eigentlich alles. Wir möchten aufklären, Menschen zusammenbringen, gute Gespräche führen und inspirieren. Das ist unser Traum für die Krachmachermühle.“

Danke, Maike und Johannes – für euren Mut, eure Kraft, eure Ausdauer und für euren Wunsch, die Welt zu einem besseren, gerechteren Ort zu machen. Ihr seid Vorreiter und ihr inspiriert schon jetzt so viele Menschen!

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Unterstützen könnt ihr die Krachmachermühle mit Spenden und Patenschaften, aber auch mit Manpower. Ob beim Stallumbau oder beim Bäume pflanzen - helfende Hände werden hier immer benötigt.

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