Tiere im Zirkus? Bitte nicht!

Tiere im Zirkus? Bitte nicht!

Okt 28, 2023 | Vegan Basics

Grelle Lichter, laute Musik, Clowns, Artisten – ein Zirkusbesuch ist für viele Menschen sicherlich ein tolles Erlebnis. Dass Zirkusse aber auch jede Menge Tierleid mit sich bringen, ist den meisten vielleicht gar nicht bewusst. Denn und das lässt sich mit Sicherheit sagen – KEIN Tier steht freiwillig in einer Manege. Dabei sind es nicht nur die aufreibenden Vorstellungen, die die Tiere ertragen müssen. Da Zirkusse ständig unterwegs sind, müssen auch die Tiere häufig transportiert werden. Noch dazu haben sie in der Regel viel zu wenig Platz, sich auszutoben und kaum Möglichkeiten, ihren natürlichen Verhaltensweisen nachzukommen. So fristen die Tiere meist ein Leben, das sie zum einen über- und zum anderen massiv unterfordert.
Deutschland ist, was Zirkustiere angeht, übrigens glänzendes Schlusslicht. Während in zahlreichen Ländern bereits ein striktes Verbot oder Einschränkungen im Hinblick auf Wildtiere in Zirkussen erteilt wurde und einige Länder sogar gar keine Tiere mehr zulassen, ist in Deutschland diesbezüglich noch rein gar nichts Derartiges passiert. Und was ist eigentlich mit dem Tierschutzgesetz? Warum greift das hier nicht? Unter anderem zu diesem Thema hab ich mich mit Peter Hübner unterhalten. Er beobachtet das Treiben der Zirkusse seit Jahren schon ganz genau, organisiert Demos, ist regelmäßig vor Ort und folgt den Zirkussen auch, wenn sie umziehen. Was er dort schon alles gesehen und erlebt hat, ist einfach nur erschreckend und auf jeden Fall ein Grund, sich darüber Gedanken zu machen, ob man diese Institutionen durch Besuche, Spenden etc. unterstützen möchte.

 

Titelbild: Midjourney

Peter Hübner im Interview mit ihana.life
E

Peter, Zirkusse und deren Tiere sind ein großes Thema für dich. Seit wann beschäftigst du dich damit und wie sieht deine Arbeit genau aus?

Im Tierrecht an sich bin ich schon sehr lange tätig. Lange Zeit hab ich mich mit Seashepard, Tierversuchen und der Nutztierhaltung beschäftigt. Was in Zirkussen mit Tieren passiert, war mir lange Zeit gar nicht bewusst. 2018 wurde ich von PETA gebeten, eine Demonstration gegen den Circus Voyage einzuleiten. Da ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, dass das ja alles nicht im Ansatz artgerecht ablaufen kann. Der Zirkus stand auf einem Parkplatz, alles war betoniert. Da kam auf einmal ein Flusspferd, das aus einem Zelt getrieben wurde. Das hat mich echt erschrocken. Als ich dann auch noch die Giraffen und die Elefanten sah, die da auf dem Betonboden herumstanden und versuchten, sich zu beschäftigen, wurde mir klar: Ich muss mich mit diesem Thema näher beschäftigen. Daraufhin habe ich direkt eine Kampagne in die Wege geleitet, bei der ich den Zirkus über 20 Wochen lang begleitete, sprich, ich habe jede Woche eine Demo vor diesem Zirkus abgehalten, bin ihnen von Oldenburg nach Bremen und Wilhemshafen bis Berlin gefolgt und habe Bilder gemacht. Nach vier Wochen war das ein riesiger medialer Erfolg. Sämtliche Zeitungen haben davon berichtet, Reportagen wurden darüber gemacht – und ich war auf einmal das Feindbild der Zirkusse.

E

So ein Zirkusleben ist ja wahrscheinlich für alle Beteiligten in irgendeiner Form mit Stress verbunden. Was bedeutet das für die Tiere?

Man muss sich mit Tieren wirklich nicht gut auskennen, um zu erkennen, dass sie dort leiden. Auch wenn es manchmal so scheint, dass sie viel Platz hätten, trügt der Schein meist. Sie haben ihr Leben lang viel zu wenig Auslauf, können sich in ihren Gehegen nicht austoben. Und oft sind Zirkusse ja in der Stadt, das heißt, diese Tiere stehen ständig auf Steinboden, haben keinen Rasen oder einen weichen Untergrund. Und wie wir alle wissen, sind Zirkusse viel unterwegs, was bedeutet, dass die Tiere immer wieder verladen und transportiert werden müssen. Das hab ich mir bei einem Zirkus auch mal genauer angeschaut. Da wurden um 14 Uhr die ersten Tiere in die Transporter verladen, um 18 Uhr die letzten, sprich, einige standen also zu diesem Zeitpunkt bereits vier Stunden in Transportwagen. Danach mussten sie auch noch die Paddocks und die Zelte abbauen und dann ging erst die Fahrt los. Einige Tiere standen demnach bis zu 24 Stunden in den Transportwagen, bevor sie am nächsten Standort wieder rausgelassen wurden. Das sind für mich Punkte, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Wir haben uns auch mal speziell die Verladung von Elefanten angeschaut. Die wurden abends auf einen Transportwagen verladen, in dem sie eng an eng standen, sich nicht richtig bewegen konnten. Sie wurden nachts transportiert, man hörte das Getrete der Tiere, die sich offensichtlich nicht wohlfühlten. Am nächsten Tag kamen sie raus, wurden in ein Zelt gebracht, wo sie permanent gewebt haben. Das ist eine Verhaltensstörung, die oft bei Tieren in Gefangenschaft beobachtet wird. Dabei schaukeln die Tiere rhythmisch, deuten Vor-und Rückschritte an und der Kopf pendelt hin und her. Das Weben ist ein typisches Zeichen dafür, dass die Tiere nicht ausgelastet sind, ihren natürlichen Verhaltensweisen nicht nachgehen können und/oder sie massiv gelangweilt sind. Ab und zu dürfen sie mal in ein kleines Gehege mit Gras – das ist dann schon ihr normaler Tagesablauf. 

E

Wie kann es erlaubt sein, dass die Tiere im Zirkus oft mit so wenig Platz auskommen müssen?

Stimmt, Elefanten im Zirkus zum Beispiel benötigen laut Gesetz sehr viel weniger Platz als Elefanten im Zoo. Warum ist das so? Weil die Elefanten im Zirkus dressiert werden und somit durch den Dompteur „beschäftigt“ werden. Das ist die gesetzliche Grundlage dafür, dass ihnen nur so wenig Raum zur Verfügung steht. Aber was es für diese Tiere bedeutet, in der Manege zu stehen, wird bei diesem Gesetz völlig außer Acht gelassen: Dort sind sie einer Vielzahl an Reizen ausgesetzt. Viele Menschen, Lärm, grelles Licht – dabei sind Elefanten schreckhafte, sensible Tiere. Deshalb werden die Tiere auch teilweise mit Gewalt und manchmal auch medikamentös ruhig gestellt. So werden sie träge und lassen das Ganze über sich ergehen.

E

Was sind die gröbsten Missstände, die du bei Zirkussen bisher beobachtet hast?

Da habe ich wirklich schon viele grauenhafte Dinge erlebt.
2018 haben wir einen Elefanten gesehen, der humpelte. Das haben wir dokumentiert. Wir haben damals schon vermutet, dass dieses Tier Arthrose hat. Das haben wir dem Bremer Veterinäramt gemeldet und sie gebeten, dieses Tier zu kontrollieren. Die damalig zuständige Tierärztin hatte bestätigt, dass das Tier verladefähig sei. Und so wurde das Tier von Bremen nach Wilhelmshafen transportiert. Das Bremer Veterinäramt konnte also nichts mehr machen, weil durch den Transport nach Wilhelmshafen war das Tier jetzt aus deren Verfügungsgewalt heraus. Das ganze Spiel hätte man jetzt in Wilhelmshafen wieder neu anfangen können, aber da der Zirkus dort ja auch nur relativ kurz ist, entziehen sich die Zirkusse so immer wieder den Kontrollen. Tatsächlich haben wir es dann 2020 in Berlin geschafft, das Tier durch das dortige Veterinäramt genauer untersuchen zu lassen. Bei dem Tier wurde eine schwere Arthrose festgestellt und ihm wurde ein Auftrittsverbot erteilt – ganze zwei Jahre später. So lange haben die Veterinärämter also gebraucht, um ein krankes Tier aus der Manege zu holen. In meinen Augen ist das katastrophal.

Ich hab auch mal das Verladen und Transportieren von Giraffen beobachtet. Die standen teilweise stundenlang mit eingezogenen Hälsen in den Transportwagen. Jeder vernünftige Tiermediziner kann sagen, dass so ein dauerhaft eingezogener Hals die Bandscheiben unheimlich stark belastet und natürlich auch Schmerzen verursacht. Wir haben die beiden Giraffen auch jeweils an den Standorten beobachtet. Die waren so gestresst, dass sie permanent am Zeltdach gelutscht haben. Wir haben das natürlich alles dokumentiert. Daraufhin haben die Zirkusleute reagiert und einen Salzleckstein dort oben angebracht und gegenüber der Presse gesagt, dass die Giraffen ja nur an diese Lecksteine wollten. Wir haben aber auf mehreren Aufnahmen, dass sie gar nicht an die Steine, sondern an das Zelt gegangen sind. Das sind ganz klassische Verhaltensstörungen.

In Aachen ist mir ein Kamel aufgefallen, das enormen Haarausfall und große Lücken im Fell hatte. Es wurde vom Veterinäramt beschlagnahmt und tierärztlich versorgt. Der Zirkus hat dann natürlich geklagt und das Tier tatsächlich wieder zurückbekommen. Es ist echt eine Katastrophe, dass dort kein Tierhaltungsverbot ausgesprochen wurde und dass die Tiere einfach wieder zurückgegeben werden.

Wir haben auch Pferde gesehen, die minutenlang mit dem Kopf geschüttelt haben – wie bei den Elefanten auch, nennt man diese Verhaltensstörung „Weben“. So zeigen sie ganz deutlich, dass sie sich unwohl fühlen.

Einige Zirkusse, vor allem die kleineren, nehmen die Tiere dann teilweise auch noch mit in die Städte auf Betteltouren. Sowas geht doch nicht. Man sollte Menschen und Institutionen, die Tiere nicht wirtschaftlich halten können, einfach keine Tierhaltung gestatten.

E

Laut Deutschem Tierschutzbund ereigneten sich zwischen 1995 und 2019 etwa 500 Ausbrüche und Unfälle mit Zirkustieren …

Ja, auch das ist ein großes Problem. Vor acht Jahren hatten wir zum Beispiel den Fall, dass ein Elefant einen Mann niedergetrampelt hat. Auch Zebras brechen regelmäßig aus. Vor drei, vier Jahren ist in Rostock eines ausgebrochen und wurde dann erschossen – ein Zebra, das tut keinem was. Es war aber einfach nicht mehr einzufangen, vermutlich weil es durch das Getriebenwerden in Panik geriet. Wahrscheinlich hat es die Freiheit gerochen … Und das sind alles keine Einzelfälle. In einem Zirkus in Hamburg sind permanent die Gänse ausgebrochen. Mitten in der Stadt Gänse laufen zu lassen, ist einfach unverantwortlich. Die laufen ja dann zum Teil auch nachts mal auf die Straßen – damit rechnet doch kein Autofahrer. Außerdem können Gänse auch ordentlich zubeißen. Zum Thema Unfälle weiß ich von einem Fall, bei dem Elefanten in der Manege einen Rangstreit ausgefochten haben und einer der Elefanten über die Balustrade ins Publikum fiel. Zum Glück ist in diesem Fall weder Mensch noch Tier etwas passiert.

E

Warum greift hier das Tierschutzgesetz eigentlich nicht?

Im Tierschutzgesetz steht ja, dass man einem Tier ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. An sich ist das also eine schöne, löbliche Sache. Jetzt kann (und muss) man über diese Gründe aber sicherlich streiten. Was ist dieser vernünftige Grund, Tiere in Käfige einzusperren, sie dazu zu zwingen, Kunststücke vor Hunderten von Menschen zu zeigen und sie in der Manege vorzuführen. Für die Zirkusleute ist dieser „vernünftige Grund“ also Geld und die kommerzielle Zurschaustellung der Tiere. Aber wenn das Tierschutzgesetz Geld als vernünftigen Grund ansetzt, dann hat es seinen eigentlichen Sinn doch verloren. Meiner Meinung nach verstößt generell jede Tierhaltung im Zirkus gegen den Grundsatz des Tierrechts. Es ist also wirklich höchste Zeit, dass dieses Gesetz endlich sauber durchgesetzt wird.

E

Gibt es Tendenzen, dass sich in den letzten Jahren/Jahrzehnten beim Thema Zirkus etwas verändert/verbessert hat?

Tendenziell passiert da schon was, ja. Meine Kampagne zum Beispiel ist sehr stark durch die Medien gegangen und wir haben auch viel erreicht: Wir konnten Vorträge halten und es gab sogar Anhörungen im Bundestag. Und generell habe ich das Gefühl, dass Zirkusse öfter öffentlich in der Kritik stehen und die Menschen immer sensibler für das Thema werden. Das ist gut. Trotzdem muss in diesem Bereich noch viel passieren. 

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Gibt es einen Zirkus, den du uneingeschränkt empfehlen könntest?

Da ist der Cirque du Soleil natürlich ganz weit vorne. Der hat überhaupt keine Tiere mehr und ist damit Vorreiter. Auch den Zirkus des Horrors kann ich empfehlen. Die spielen eine wahnsinnige Show ab. Ganz ohne Tierleid.

Peter, vielen Dank für das Interview, deine so wichtige Arbeit und deinen Einsatz für die Tiere!
Du möchtest mehr über Peter und seine Arbeit erfahren?
Dann folg ihm gerne auf Facebook oder Instagram.

Wie steht ihr zu Tieren im Zirkus?

2 Kommentare

  1. Anke Hübner

    Tiere gehören weder in den Zirkus noch in den Zoo und dürfen nicht dressiert werden.

    Antworten
    • Tanja Hauser

      Das seh ich ganz genauso 🙂 Vielen Dank fürs Lesen!

      Antworten

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